Heute gibt es einen Eintrag zum Buchstaben „S“ wie „Strizzi“.

Wer jetzt an den Striezel denkt, der am Titelbild (By w:en:User:Smerdis – w:en:File:Zopf.jpg, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7826795, danke für das Bild!) zu sehen ist, ist auf dem falschen Weg.

Strizzi nennt man in Wien einen Kleinkriminellen, also kleinen Gauner oder auch einen Zuhälter. Natürlich sind die Grenzen in diesen sinistren Milieus verschwommen und klare Kategorien lassen sich nur schwer bilden. Nach meinem Verständnis wäre Udo Proksch (ein Unternehmer, Versicherungsbetrüger und mehrfacher Mörder, 1934-2001) wohl eine Nummer zu groß für diese Bezeichnung. Der “Rote Heinzi” (Heinz Bachheimer, 1939-2015), ein bekannter Name der Wiener Unterwelt passt da schon eher in diese Kategorie.

Einen Strizzi würde ich etwa den Schani Breitwieser nennen. Also der Johann war jedenfalls ein Krimineller, bei dessen Begräbnis sich zwischen 20.000 und 40.000 Menschen verabschiedeten (je nach Quelle, der man glauben möchte). Und er ist nur 28 Jahre alt geworden. Ein paar Jahre nach seinem Tod hat ein Rechtsanwalt, Herr Dr. Hermann Kraszna ein Buch über ihn geschrieben – mehr als 200 Seiten lang. Sogar eine Webseite hat er (https://www.breitwieserschani.at ), obwohl es damals als er gestorben ist, nämlich am 1. April 1919 noch gar kein Internet gegeben hat. Das Buch kann man übrigens digitalisiert auf der Webseite herunterladen. Wieso ist der Johann Breitwieser derart bekannt geworden? Vielleicht weil er vielen als der Robin Hood Wiens gegolten hat. Und weil er außer gegen seine Verfolger nie gewalttätig gewesen ist.

Motiv der Siebdruckeria, download unter https://breitwieserschani.at/hintergruende.html

Geboren wurde er in Meidling im Jahr 1891. Als sechstes von 16 Kindern muss man selbst mit einem fleißig arbeitenden Vater schauen wo man bleibt. Schon als Kind hat er scheinbar mehr Zeit im Gatterhölzl verbracht als in der Schule. Das Gatterhölzl hat man in der Gegend auch “Räuberhölzl” genannt – da weiß man schon, was gespielt wurde. Es war ein Stück Wald östlich des Schlossgartens von Schönbrunn wo allerhand Gesindel sein Unwesen trieb. Von dort war es auch nicht weit in den Schönbrunner Tiergarten. Das hat ihn geprägt: Als ihn einmal ein Polizeikommissar nach seinen Lehrern gefragt hat, soll er gesagt haben: “A Aff war mein Lehrer, und a Bär mein Professor.”…Wohl hat er sich schon in diesen jungen Jahren die erstaunlichen Fähigkeiten angeeignet, die ihn dann zum Einbrecherkönig werden ließen. Er konnte Hindernisse überwinden wie kein anderer, war geschickt und kein Schloss vor ihm sicher. Wenn Sie jetzt an ein Türschloss denken – weit gefehlt, auch vor Schloss Schönbrunn hat er nicht halt gemacht. An den Leibgardisten vorbei ist er immer wieder ins Schloss eingedrungen und hat sich alles genau angesehen, da “der Kaiser eh net daham is.” Sonst fand er sich eingesperrt in so manchem Geschäfte, zu dem er sich unbemerkt Zutritt verschafft hatte und natürlich nahm er, was er zum Überleben brauchte. Schon mit 15 Jahren ist er zu einem Monat Kerker verurteilt worden, für den Diebstahl eines Paar Filzschuhe. Und das trotz seiner Aussage, er hätte “aus Not” gehandelt.

Diese Aussage hat sich dann später als Motiv auf Leiberl (zu kaufen hier: http://www.outlawlegend.at/?legend=8&tshirt=vorne) wiedergefunden, die zu einer ganzen Outlaw-Serie inspiriert haben. (siehe http://www.outlawlegend.at/?legend=8 ). Jedenfalls hat er dann doch viel Zeit in Haft verbracht und dass man da erst richtig inspiriert wird, kann man sich gut vorstellen. So ist er dann auch aktives Mitglied in der “Bruderschaft der schwarzen Larven”, die sich auf Einbrüche in Villen südlich von Wien spezialisieren. Oft macht er Beute auf Kosten von Kriegsgewinnern und allerhand reichen Leuten. Da er immer hilfsbereit bleibt und auch seine Beute teilt, ist er dementsprechend beliebt und wird auch von der Bevölkerung gedeckt. Man darf ja nicht vergessen, dass Krieg herrschte und die Menschen oft nicht wussten, woher Essen oder Heizmaterial nehmen. Da braucht es schon kleine Helden! Sein vielleicht spektakulärster Coup gelingt ihm, als er aus dem Panzerschrank der Hirtenberger Munitionsfabrik unglaubliche 500.000 Kronen stiehlt. Umgerechnet in heutige Währung mehr als 120.000 Euro als Statement gegen den Krieg. Das sollte allerdings auch sein letzter Beutezug werden. Als er in seiner Villa in St. Andrä-Wördern von Polizei und Scharfschützen umstellt aufgefordert wird, die Hände hochzunehmen, schießt er noch in Richtung der Obrigkeit, hat aber keine Chance. Von mehreren Schüssen getötet wird er am Meidlinger Friedhof beigesetzt. In seinem Keller findet man allerlei Einbruchswerkzeuge aus eigener Fabrikation. Egon Erwin Kisch, der rasende Reporter hat ihm ein literarisches Denkmal gesetzt “Wie der Einbrecher Breitwieser erschossen wurde” – zu Lesen: https://breitwieserschani.at/eekisch.html oder zu hören: https://www.youtube.com/watch?v=jnv6JL3SilA Und er war nicht der einzige: Wolfgang Maderthaner oder Alfred Polgar und erst 2022 Beppo Beyerl haben über den Schani geschrieben. Natürlich ist er auch im Wiener Kriminalmuseum vertreten.

Ob er nicht doch mehr als ein Strizzi war, überlasse ich jedem selbst.

Eure Sandra